Gang und Gleichgewicht

Das Gleichgewicht und Gehen im Allgemeinen sind wichtige Faktoren im Leben eines jeden Erwachsenen. Es wird vermutet, dass 13% der 65-69 Jährigen über Gleichgewichtsprobleme berichten. In der Gruppe der 85 Jährigen und älter sind es sogar 46%. Gleichzeitig sieht man, dass Gangstörungen in etwa bei 35% der Menschen ab 70 Jahren in Institutionen wie z.B. Seniorenheim auftauchen. Ein veränderter Gang erhöht statistisch gesehen das Risiko einer Heimeinweisung und das Sterberisiko um das 2,2-fache im Vergleich zu Personen ohne Gangstörung. Des Weiteren korrelieren Gang- und Gleichgewichtsprobleme mit einem erhöhten Sturzrisiko. Die Folgen solcher Stürze können erheblich sein.

Aber was versteht man eigentlich unter dem Begriff Gleichgewicht?

Das Gleichgewicht ist notwendig, um die Körperhaltung aufrechtzuerhalten und auf willkürliche Bewegungen und äußere Störungen zu reagieren. Um das Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, muss der Körperschwerpunkt auch bei sich ändernder Unterstützungsfläche gehalten werden können.

Dazu nutzen wir verschiedene Systeme und Sinne. Das Vestibulum, auch Gleichgewichtsorgan genannt liegt in unserem Ohr. Zusammen mit dem Kleinhirn steuert und kontrolliert es unsere Haltung. Die Augen, mit denen wir unsere Umgebung wahrnehmen aber auch die Beschaffenheit des Untergrunds analysieren können. Und als letztes die sensorische Wahrnehmung unserer Gelenke und Muskeln, die Haut z.B. der Füße, die Informationen über die Charakteristika des Bodens liefern, Informationen über die Schwerkrafteinwirkung und allgemeine Orientierung im Raum. All diese Informationen müssen wahrgenommen und von unserem Gehirn analysiert werden, damit wir unser Gleichgewicht kontrollieren können.

Während des Älterwerdens verändert sich unsere Fähigkeit das Gleichgewicht zu halten. Das kann die unterschiedlichsten Ursachen haben. Z.B. haben ältere Erwachsene eine signifikant verringerte Wahrnehmung ihrer Fußposition im Vergleich zu jüngeren Erwachsenen. Diese verringerte Wahrnehmung wird zusätzlich durch das Tragen von Schuhen verstärkt, da diese das taktile Feedback reduzieren. Zusätzlich verringert sich die Sensibilität der Füße. Studien konnten zeigen, dass das Gleichgewicht um ein 4-faches vermindert war, wenn sich die Wahrnehmung der Füße verändert hat. Auch eine schlechtere Sehkraft kann sich negativ auf das Gleichgewicht auswirken. Ältere Erwachsene stützen sich sehr auf ihr visuelles Feedback, um ihr Gleichgewicht zu halten. Dabei spielen die Lichtverhältnisse im Raum eine entscheidende Rolle.  Auch können sie schlechter auf Veränderungen in ihrer Umgebung reagieren als junge Erwachsene.

Bezogen auf den Gang konnte man feststellen, dass ältere Menschen, die eine reduzierte Ganggeschwindigkeit und eine erhöhte Gangvarianz (z.B. kleinschrittig) zeigen, ein erhöhtes Sturzrisiko haben.

All diese Veränderungen finden aufgrund des Alterungsprozesses statt. Aber es gibt Therapieansätze, die helfen können. Empfohlen wird vor allem ein aktiver Ansatz. Regelmäßiges Spazierengehen soll dabei helfen die Hüftbeugung flexibel zu halten und trägt damit dazu bei, den Gang zu verbessern.  Des Weiteren werden allgemeine Kraft- und Gleichgewichtsübungen empfohlen. Diese können zu Hause, zusammen mit einem Therapeuten oder im Rahmen eines Gruppentrainings durchgeführt werden.  Neuere Forschungen untersuchen unter anderem die Wirksamkeit von virtueller Realität (mittels Brille) in Kombination mit verschiedenen Übungen, was ein spannender Ausblick für zukünftige Therapieformen und Möglichkeiten darstellt.

Lea KOTTMANN

Kinésithérapeute